"Homeoffice ist ein gutes Instrument, wenn man es dosiert einsetzt."
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In ihrer Interview-Reihe "Erfolgreich im „Remote-Modus“ – Geschichten aus dem realen Leben" befragt die Soziologin Dr. Carolyn Koch-Falkenberg ihre Gesprächspartner rund ums Thema Fernarbeit.
Im aktuellen Interview spricht sie mit Sebastian, er ist Teamleiter in einer großen privaten deutschen Bildungseinrichtung, über das Führen und Arbeiten im Homeoffice . Er ist für ein Team von 15 Mitarbeiterinnen verantwortlich. Zu seinem Privatleben: Er ist Ende 30, verheiratet und Vater einer bezaubernden Tochter. Seit sieben Jahren arbeitet er inzwischen für dieses Unternehmen, seit drei Jahren hat er die Position als Teamleiter inne.

Sebastian, du bist Führungskraft und leitest ein Team von zehn Mitarbeiterinnen. Du erlebst Homeoffice aus mehreren Perspektiven: Einmal selbst als Mitarbeiter, so wie du es früher warst. Dann als Führungskraft, die selbst im Homeoffice arbeitet, und zusätzlich führst du Mitarbeiterinnen, die remote arbeiten. Aus deinem breiten Blickwinkel: Hat Remote Work mehr Vor- oder Nachteile? Und was sind konkret für dich die entscheidenden Vor- und Nachteile?
Das ist eine gute Frage. Als Vorteil würde ich sehen, dass ich den Eindruck habe, dass meine Mitarbeiterinnen im Homeoffice eigentlich produktiver sind. Da muss man jetzt unterscheiden zwischen Homeoffice jetzt und vor der Pandemie.
Jetzt ist es natürlich ein bisschen schwieriger mit der Betreuung der Kinder zu Hause, sodass es jetzt ja nachteilig ist Homeoffice anzubieten, da meistens die Kinder mit zu Hause sind und es daher unproduktiver läuft. Aber das ist auch ein Vorteil, denn so können sie überhaupt von zu Hause arbeiten und müssen keine Kindkranktage nehmen oder dergleichen. Das heißt, sie arbeiten ja trotzdem und deswegen finde ich das dann doch vorteilhaft. Also im Grunde ist ein großer Vorteil, die Flexibilität dieses Instruments.
Und wo siehst du Nachteile?
Ein großer Nachteil ist natürlich, dass man eine gewisse Art der Spontanität verliert, gerade, wenn es um komplexe Arbeitsvorgänge geht, die man nicht einfach so besprechen kann. Also im Grunde finde ich Homeoffice positiv. Und es ist ein gutes Instrument, wenn man es dosiert einsetzt, also beispielsweise zwei Tage Homeoffice und drei Tage im Büro. Das finde ich eigentlich ganz gut. Für mich, wie auch für meine Mitarbeiterinnen.
Also im Grunde ist ein großer Vorteil, die Flexibilität dieses Instruments.
Ein großer Nachteil ist natürlich, dass man eine gewisse Art der Spontanität verliert, gerade, wenn es um komplexe Arbeitsvorgänge geht, die man nicht einfach so besprechen kann. Also im Grunde finde ich Homeoffice positiv. Und es ist ein gutes Instrument, wenn man es dosiert einsetzt, also beispielsweise zwei Tage Homeoffice und drei Tage im Büro.
Wenn ihr im Homeoffice arbeitet, was für Lösungen habt ihr, um eure Arbeitsergebnisse zu erfassen, zu evaluieren? Habt ihr Kennziffern, die ihr nutzt, um die Arbeitsleistung zu messen?
Also ganz ehrlich, ich bin im Prinzip kein Freund von Kennziffern und dergleichen, um die Leistung zu messen, aber natürlich muss das Ergebnis stimmen. Also die einzige Messung oder Ergebnismessung, die ich mache, ist das die Aufgaben danach erledigt sind. Wir haben im Semesterverlauf verschiedene Deadlines, wo bestimmte Dinge erledigt sein müssen und da kann man sich eigentlich ganz gut drauf einstellen und die Arbeit mittendrin also zwischen diesen Zeitpunkten dann auch einteilen und darauf abstimmen. Da kann es also durchaus sein, dass vielleicht mal zwei Wochen lang wirklich weniger zu tun ist und die Arbeitszeit nicht voll ausgeschöpft wird. Aber gerade so Semesterbeginn / Semesterende wird es dann immer ziemlich stressig und ich glaube, es gleicht sich ganz gut aus.
Generell lasse ich doch ziemlich viele Freiheiten auch unabhängig davon, ob Homeoffice oder nicht, beispielsweise kann auch jeder mal eher gehen und muss nicht die ganze Zeit im Büro sitzen, wenn er meint, er hat gerade nichts zu tun oder er hat was anderes vor, habe ich da kein Problem mit.
Also wenn du so willst, dann machen wir eine Messung an Outcome bzw. Output, aber keine Leistungsmessung während des Arbeitsprozesses.
Vielen Dank für deine offene Antwort. Als nächsten Punkt interessiert mich: Wie sieht die Kommunikationskultur aus, die ihr pflegt? In diesem Zusammenhang interessiert mich auch: Besteht für euch aktuell eine Pflicht zur Homeoffice-Arbeit? Oder dürft ihr, dürfen deine Kollegen und Kolleginnen aktuell wählen zwischen Präsenz- oder Remotearbeit?
Also bei dem ersten Lockdown im März 2020 war es Pflicht. Dann gab es nur einen Notbetrieb und alle Mitarbeiter mussten ins Homeoffice und nur fünf Personen waren, glaube ich, vor Ort. Wenn man ins Büro wollte, musste man sich vorher anmelden und eine Genehmigung einholen.
Momentan ist es so, dass man wählen kann, ob man im Büro arbeiten will oder im Homeoffice. Aber jede Abteilung muss natürlich vor Ort besetzt sein. Das heißt bei uns bzw. wir im Team haben das so gelöst, dass wir eine Abfrage gemacht haben, wer Homeoffice möchte, wer im Büro arbeiten möchte und da gibt es eindeutige Präferenzen, so dass es da keine Probleme gab. Die eine Hälfte arbeitet im Büro, die andere Hälfte ist im Homeoffice. Allerdings müssen alle mindestens einmal die Woche im Büro auftauchen, damit man sich absprechen kann. Wenn die Geschäftsführung im Haus ist, wird zumindest von den Führungskräften erwartet, dass sie im Büro sind.

Wie stehst du mit deinen Kolleginnen, die remote arbeiten in Kontakt?
Im ersten Lockdown, wo wir alle im Homeoffice waren, haben wir tatsächlich täglich morgens um 9 Uhr ein Onlinemeeting abgehalten und uns gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht und getratscht (zwinkert). Jetzt mit dieser Hybridlösung, also ein Teil im Büro, ein Teil im Homeoffice, funktioniert das nicht mehr so gut. Das heißt, wir haben, wie gesagt, einmal in der Woche einen Termin, wo alle da sind und wo wir dann die wichtigsten Sachen kurz besprechen.
Wenn es dringend ist oder dringende kurzfristige Meetings nötig sind, dann können wir uns auch zusammenschalten. Wir nutzen Microsoft Teams als Plattform und eigentlich gibt es da keine größeren Probleme. Und wir haben ziemlich gute Konferenzkameramikrofone, die man dann an den Rechner oder einen Bildschirm anschließen kann und wo man dann die Mitarbeiter im Homeoffice auf den Bildschirmen sieht und man selber im Raum sitzt, ohne, dass man jetzt Kopfhörer aufhaben muss oder dergleichen.
"Im ersten Lockdown, wo wir alle im Homeoffice waren, haben wir tatsächlich täglich morgens um 9 Uhr ein Onlinemeeting abgehalten und uns gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht (...). Jetzt mit dieser Hybridlösung, also ein Teil im Büro, ein Teil im Homeoffice, funktioniert das nicht mehr so gut. Das heißt, wir haben (...) einmal in der Woche einen Termin, wo alle da sind und wo wir dann die wichtigsten Sachen kurz besprechen."
Nutzt ihr die Kameras auch? Ich kenne es aus einigen Unternehmen, dass sich dann häufig schwarze Kästchen miteinander unterhalten.
Ich weiß, was du meinst. Also bei Meetings mit der Geschäftsführung gibt es eine Kamerapflicht, bei uns untereinander im Team gibt es keine Kamerapflicht.
Die Meinungen zum Homeoffice spalten sich ja. Kürzlich las ich, der Goldman-Sachs-Chef nennt Homeoffice einen Irrweg, der schnellstens beendet werden müsse. Was glaubst du, wie sich die Arbeitsweise bei euch zukünftig entwickeln wird? Geht ihr wieder zurück zur Präsenz, wird es ein Hybridmodell oder stärker digital? Wollen bei euch diesbezüglich alle in dieselbe Richtung – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsleitung?
Also ich denke, es wird eine Hybridlösung werden. Es gab vorher schon vereinzelt Homeofficelösungen, vor allem für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Kindern. Ich denke, dass das Ganze dann im Vergleich zu vorher ausgeweitet wird aber nicht in dem Maße bestehen bleibt wie es jetzt ist. Also wieder mehr Präsenz, aber weniger als vor Corona. Es ist aber noch nicht wirklich ausdiskutiert, die Geschäftsführung ist tatsächlich auch kein richtiger Freund von Homeoffice für alle.
Vielen lieben Dank, ich wünsche dir alles Gute.
Danke, ich dir auch.

Die Autorin:
Dr. Carolyn Koch-Falkenberg ist Trainerin und Coach für Themen rund um das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und sie empfindet es als Privileg Mitarbeitende, Führungskräfte und Organisationen in unterschiedlichster Form dabei zu begleiten, gesund zu bleiben oder es wieder zu werden.
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